Sonntag, 10. Mai 2015

Nine Month

1. ACHTUNG: Es wird philosophisch. ;)
2. Ich habe mich leider im Datum geirrt (es wäre der 2.5. gewesen), aber das kann ja mal passieren. :)





Neun Monate mit Hund - was er mir dabei beigebracht hat...
Die Welt ist nicht binär.
Nicht das ich das nicht schon "gewusst" habe - vielleicht sollte man eher sagen "gespürt", weil es das besser trifft und ein Bewusstsein gegenüber "geahnt" schafft. Das heißt, alles, was Literatur so fest definiert ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Bisher habe ich ausschließlich bei Cesar Milan so etwas gelesen. Er geht immer von seiner Erfahrung aus ala: "Bei meinen Hunden habe ich...", was suggeriert 'Versuch es, aber es kann ganz anders sein.'. Schön fand ich in der letzten Woche auch seinen Satz: "Hunde sind zu bestimmten Nutzaufgaben gezüchtet worden. Schau dir diese Aufgaben an und du wirst Deinen Hund besser verstehen."
Genau.
Und ich bin immer noch dankbar dafür, dass ich einen Spitz habe. Pico besitzt etwas, was Menschen verlernt haben - Sozialkompetenz (Familien- und Wachhund!) und die daraus zu schlussfolgernde Eigenschaft des Teamplayings. Vermutlich machen das die meisten Hunde (ihnen wurde ja die Sozialkompetenz nicht ausgezüchtet und in ihrem Bewusstsein konnte sich kein "negativer" Erfahrungspool bilden), aber bei den Spitzartigen kommt es nach meinen bisherigen Beobachtungen am Deutlichsten zum Vorschein. Von daher konnte ich die 5er-Regel (Gebe einen Befehl und zähle heimlich bis "5", dann reagiert ein Spitz) irgendwann ablegen. Pico reagiert unglaublich in unterschiedlichen Situationen und ich fand keine Erklärung (binär ;)) dafür. Interessanterweise gibt es aber so etwas wie eine "Regel", so unglaublich sie auch sein mag - sie ist unberechenbar, also nicht binär. ;) Erscheint eine neue Situation, versucht mein Hund alle "umherschwirrenden" Gedankenstränge aufzuschnappen und kann dadurch durch eine neue Situation durchflutschen, ohne für sich selbst den größten Schaden zu nehmen, so seine "Programmierung". Während wir Menschen unseren Pool an jahrelanger Erfahrung abgreifen, ist der Hund durch diese Situation hindurch geschlüpft, nicht immer so, wie "ich" und alle daran beteiligten menschlichen Personen dies für "sinnvoll" erachten.
Situation: Menschen mit zwei Hunde begegnen sich, ich denke "Ah kenn ich, alles ok", mein Hund stürmt los, um anderen Hund zu begrüßen. Gegenspieler "denkt": 'Scheiße, dass ist ja wieder diese doofe Spitze, der kläfft.', Pico fängt also an zu bellen, wurde ihm "erlaubt". Kennen wir eine Person nicht, der wir begegnen, kann diese Situation gut ausgehen, wenn die andere Person "entspannt" ist. Ist sie es nicht, ist sie für Pico unberechenbar, weil viele Gedankenstränge umherflitzen oder aber vielleicht sogar Angst alles Berechenbare überlagert. Also läuft er los und schreit den Menschen an: "Los, konzentriert dich endlich, damit ich weiß, wie ich Dich zu nehmen habe!", versteht die andere Person natürlich nicht, hat noch mehr Angst und der Hund wird noch nachdrücklicher. Toll. ;) 
Warum aber macht Pico solche Kläffaktionen auch bei Joggern, Walker, Radlern (da ja nicht immer!!!), Bussen , Autos? Auf sportliche Erfolge ausgerichtete Personen befinden sich in einem Rauschzustand und sind damit was? Ja, unberechenbar für den Hund. Sitzen in Bussen und Autos mehrere Menschen drin, ist Teamplaying unmöglich, weil man den groben Handlungsstrang nicht erkennen kann, Bei Autos ist es wirklich so, dass bei Menschen, die ihm schon einmal außerhalb seines Heimes begegnet sind, keine Probleme gibt, aber alle, die er bereits angebellt hat (und da gibt es noch eine andere Regel als die des nicht berechnens), fahren sauer vorbei. Ist Euch das schon mal bei Postaustos aufgefallen? Manche Postautos werden böse angekläfft, bei einigen rennt der Hund nur "normal kläffend" mit, um sein Revier zu kennzeichnen. Jep, der Fahrer der Postautos, die angebellt werden haben Angst oder sind im eigenen Dauerstress gefangen.
Stress ist also etwas, bei dem wir Menschen unbrechenbar sind und ich kann das aus Rückblendung bestätigen.
Lange habe ich mich gefragt, wieso mein Hund funktioniert und warum andere Hunde mich verstehen. Ich mag Hunde, seit ich selbst einen habe, aber ich habe auch meine Grenzen. Selbst wenn ich einen Hund gerne mag (die kommen dann wirklich mit mir mit), geht er mir irgendwann auf die Nerven, weil die Freude und Anhänglichkeit sich logischerweise auch gegen meinen Herzprinzen richten und dann meine ich wohl ziemlich eindeutig, was ich sage.
Im Teamplay mit dem Herzprinzen passieren da oft widersprüchliche Dinge. Ich sage etwas, meine es aber ganz anders und Pico weiß nicht wirklich, was ich von ihm will. Er reagiert, mittlerweile weiß er, was ich meinen könnte ;), braucht aber immer wieder eine Bestätigung in Form eines Leckerlis. Seit einigen Tagen habe ich mich nämlich gewundert, wieso er nicht mehr an kam, obwohl oder trotzdem ich ihn korrigiert habe und dann wurde mir klar, dass ich knapp vor der verbalen Korrektur meine eigene Handlungsweise korrigiert hatte.
Führung. Ich finde, das ist totaler Quatsch. Der Herzprinz verlässt sich komplett auf das Teamplaying. So lange man in Interaktion miteinander ist, "überlässt" er mir die von mir gewünschten Handlungsfelder und macht das, was "übrig bleibt", natürlich in seiner eigenen Interpretation bzw. in seinem Verständnis von Teamplaying. Zum Glück habe ich in den neun Monaten schon gut lernen dürfen, wo seine Kompetenzbereiche liegen. Er hasst es, Verantwortung zu übernehmen, ist aber pflichbesessen und macht es, leider dann überkorrekt. Speziell dann, wenn er müde ist, wird es fast unerträglich und dann muss ich ihn natürlich aus diesen eigenen Verantwortungsbereichen befreien.
Ich habe also gelernt, dass ich in Situationen, die ich selbst nicht wirklich überblicken kann, die Leine einsetzen muss, damit ich ihn an meinen Gedankenstrang "fessle". Menschen mit Angst kann ich mittlerweile auf einen 50-Meter-Bereich erkennen, auch hier ist die Leine ein super Schutzmittel für die Berechenbarkeit der Situation. Ich LIEBE Spaziergänge, in denen wir kaum Menschen begegnen, weil wir damit wirklich die alleinigen Teamplayer sind. Ich LIEBE sein Teamplaying in der Familie! Ich finde es mittlerweile nicht mehr beschämend, wenn er Besuchern hier auf unterschiedlichste Weise anzeigen mag, dass er hierher gehört und dazu auch die vollste Kompetenz hat. (Jep, da muss ich arg korrigieren!)
Und ich freue mich auf viele viele weitere Monate, in denen er mir zeigt, wie diese Welt WIRKLICH funktioniert, ich vieles schon lange richtig mache, aber wie viel mehr ich selbst noch lernen muss.
Danke, Du großer Kleiner!!