Dienstag, 22. Juni 2021

Aufeinander eingehen

 

Ich wusste schon vor dem Hund, dass er ein großer Lehrmeister sein würde, auch wenn er da an sein Pferdchen gekuschelt überhaupt nicht wie ein Großmeister aussah. 😍

 
Dieses da noch winzig kleine Wesen, von dem nicht klar war ob das ein Hund, eine Katze oder ein Häschen würde, kann aber per default etwas, was wir modernen Menschen verlernt haben. 
Ein Hund will von sich aus ganz alleine wissen, wer in seiner Gruppe ist. Er studiert jeden Einzelnen und lernt ihn so kennen, wortlos. Er weiß innerhalb von kürzester Zeit super genau, wann wie schlechte Laune hat und wie sich das aus wirkt, er weiß, wie man Dinge bekommt, die man haben will, er weiß, wie er seine Ruhe haben kann, wann von ihm akute Aufmerksamkeit abverlangt wird und er weiß, was IHM wichtig ist zu tun. Und das tut er auch!
Aus verschiedenen Gründen wollte ich keine Hundeschule besuchen. Wenn ich mir das heute genau überlege und Worte dafür suchen müsste, würde ich schreiben, dass ich keinen Soldaten als Hund haben wollte. Obwohl klar war, dass Pico unter anderem dafür da ist, die fehlenden sozialen Erfahrungen der behinderten Tochter zu kompensieren.
Er ist jetzt sieben Jahre alt und bereits nach nicht einmal einem Jahr habe ich erkannt, dass mir die Führung einer Menschengruppe wesentlich leichter gefallen wäre, hätte ich von Anfang an einen Hund gehabt. 
Nein. Pico ist kein Rudelchef. 
Er könnte es sein, übernimmt die Rolle auch, wenn sein Kumpel, der der Chef ist, nicht gut drauf ist. Aber er ist eindeutig danach fertig mit sich und diesem Universum, denn er erledigt neben der zusätzlichen Aufgabe auch noch die, die er für sich selbst am Besten geeignet findet - den Schutz der Gruppe.
Heute waren wir wieder einmal einen halben Weg lang alleine unterwegs, ohne Gruppe. Ich brauche manchmal Auszeiten von Gruppen, bin ich doch seit diesem Virus doch seit mehr als einem Jahr im Dauergruppenmodus. Und mir persönlcih ist das zu viel. Auch das weiß der Hund und verhält sich in diesem meinen Auszeiten wie ein...
"Sie waren mit Ihrem Hund in einer Ausbildung, stimmt's?"
Nein, aber ich hatte wirklich zwei Situationen, in denen ich erkennen konnte, dass mir mein Hund meine Auszeit genehmigt hat.
Ich schlendere gedankenschwer den Weg entlang, erkenne in 200-Meter-Entfernung noch Claudia ohne Anne - die wohl schon wieder unterwegs war, selbstständig wie sie so ist 😁, als ein hochgewachsener Mann wie Soldat mit dieser Weggabelung verwuchs. Ich erkannte wie Pico auch einen Hund dazu - an der Leine und grundsätzlich ist mein Hund kontaktfreudig genug, euphorisch loszustürmen, um dem Weggefährten einmal "Hallo" zu sagen. Er sah den Mann, erkannte dessen Panik, verharrte in seiner Schrittgeschwindigkeit und blieb auf "Pico, an die Leine!" stehen, um sich anleinen zu lassen. Wir gingen aneinander vorbei, der Mann ordentlich erleichtert, dass mein Hund "so gut pariert hat".
Eine Weile danach, wieder im Ort, der Hund ist schon an einer Flexileine angeleint, seh ich schon einen Mann, von dem ich weiß, dass der eine Bellnase mit sich laufen hat. Ich gebe dem Hund mein Signal, zu mir wieder aufzuschließen und führe ihn so an den beiden vorbei, dass ich zwischen ihm und dem anderen (vor sich hin kläffenden) Hund bin. Die Frau, die mir entgegen kam war dann der festen Überzeugung, dass wir trainiert hätten.
Ich kann aber keinem Menschen erzählen, dass ich von meinem Hund gelernt habe, auf ihn und alle anderen Akteure in meinem Umfeld einzugehen.